07.07.2025
Bei der Verbraucherinsolvenz muss das Insolvenzgericht die potenzielle Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln von Amts wegen prüfen können. Diese Prüfung kann unabhängig davon erfolgen, ob die Forderungstabelle genehmigt wurde und verbindlich ist, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat.
In Polen wurde über das Vermögen einer natürlichen Person das Insolvenzverfahren eröffnet. Die meisten der gegen sie bestehenden und in einer von einem Insolvenzverwalter erstellten Forderungstabelle aufgeführten Forderungen ergeben sich aus einem an den Schweizer Franken gekoppelten Hypothekendarlehensvertrag, den der Insolvenzschuldner zwölf Jahre zuvor als Verbraucher geschlossen hatte. Er erkannte alle diese Forderungen an, und die Forderungstabelle wurde auch vom Insolvenzrichter genehmigt.
Auf der Grundlage dieser Tabelle muss das Insolvenzgericht nunmehr entweder einen Plan zur Begleichung der Forderungen erstellen oder feststellen, dass die Vermögenswerte ausreichen, um sämtliche Schulden zu erfüllen, was den Plan überflüssig macht.
In diesem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens ist dieses Gericht der Ansicht, dass der Darlehensvertrag missbräuchliche Klauseln enthalte, die zu seiner Nichtigkeit führen könnten. Sollte dies der Fall sein, wären die Forderungen der Bank niedriger als die in der Tabelle aufgeführten oder bestünden gar nicht. Die potenzielle Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags wurde jedoch bisher nicht geprüft.
Nach polnischem Recht ist die Forderungstabelle für das Insolvenzgericht bindend, das nicht befugt ist, Vertragsklauseln zu prüfen. Es kann lediglich den Insolvenzrichter befassen, damit er diese Prüfung vornimmt und gegebenenfalls die Forderungstabelle ändert. Außerdem erlauben es die Verfahrensvorschriften nicht, vorläufige Maßnahmen zur Regelung der Situation des Schuldners zu treffen, bis diese Prüfung abgeschlossen ist.
Das Insolvenzgericht hat sich an den EuGH gewandt, um festzustellen, ob die nationale Regelung über das Insolvenzverfahren natürlicher Personen die Rechte, die das Unionsrecht Verbrauchern verleiht, wirksam schützt.
Der EuGH verneint dies. In Ermangelung einer zuvor vorgenommenen Prüfung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klauseln verpflichtet das Unionsrecht das Insolvenzgericht, die entsprechende Beurteilung von Amts wegen vorzunehmen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit der Notwendigkeit, den Insolvenzrichter zu befassen, wäre die Gefahr verbunden, dass der Abschluss des Insolvenzverfahrens verzögert und die Dauer der prekären finanziellen Lage des insolventen Verbrauchers verlängert wird. Dadurch könnte er davon abgehalten werden, seine sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte auszuüben, was die Anwendung des Unionsrechts übermäßig erschweren würde. Die Tatsache, dass die Forderungstabelle rechtskräftig geworden ist, steht einer solchen Prüfung nicht zwangsläufig entgegen. Dies ist durch das öffentliche Interesse am Verbraucherschutz, wie er durch das Unionsrecht gewährleistet wird, gerechtfertigt.
Das Insolvenzgericht müsse auch vorläufige Maßnahmen treffen können, die die volle Wirksamkeit dieses Schutzes gewährleisten. In Anbetracht der Umstände der in Rede stehenden Rechtssache wird es zu beurteilen haben, ob hierfür eine Maßnahme erforderlich ist, mit der die vom Lohn des insolventen Verbrauchers einbehaltenen Beträge bis zur Entscheidung über die Missbräuchlichkeit der Klauseln des fraglichen Vertrags herabgesetzt werden.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 03.07.2025, C-582/23