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25.05.2023

Zivilgerichte: Kabinett beschließt Stärkung von Videoverhandlungen

Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, mit dem der Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit sowie den Fachgerichtsbarkeiten gestärkt und flexibilisiert werden soll. Den Gerichten soll ein möglichst großer Gestaltungsspielraum bei der Planung, Anordnung und Durchführung von Terminen per Bild- und Tonübertragung eingeräumt werden. Dadurch soll der Einsatz von Videokonferenztechnik praxistauglicher und im gerichtlichen Alltag weiter etabliert werden.

Laut Bundesjustizministerium (BMJ) wird gleichzeitig das Antragsrecht der Parteien und Prozessvertreter auf Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung durch Einführung eines Begründungserfordernisses für die Ablehnung von entsprechenden Anträgen gestärkt.

Die zentrale Norm für Videoverhandlungen – § 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) – wird mit dem Gesetzentwurf insgesamt neu gefasst: Das Gericht soll eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern gegenüber den Verfahrensbeteiligten auch anordnen können. Die Anordnung erfolge durch den Vorsitzenden. Der Adressat einer Anordnung soll innerhalb von zwei Wochen Einspruch gegen die Anordnung einlegen können. Dieser soll nicht näher begründet werden müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass niemand gegen seinen Willen in eine Videoverhandlung gezwungen wird.

Stellen alle an einem Verfahren beteiligten Rechtsanwälte einen Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung, soll diese in der Regel angeordnet werden. Lehnt das Gericht einen Antrag auf Videoverhandlung ab, sei diese Entscheidung zu begründen, so das BMJ.

Die Regelungen zur Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E) sollen erweitert werden. Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein. Zudem soll auch die Videobeweisaufnahme durch das Gericht angeordnet werden können.

Videoverhandlungen sollen kostengünstiger werden. Die bisher für die Nutzung von Videokonferenztechnik nach den Gerichtskostengesetzen zu erhebende Auslagenpauschale soll entfallen.

Die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung (§ 160a ZPO-E) sollen dahingehend erweitert werden, dass neben der bereits zulässigen Tonaufzeichnung eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig ist.

Das neue Gesetz soll zudem einen zeitgemäßen Zugang zur Justiz in Form einer "virtuellen Rechtsantragsstelle" eröffnen: Anträge und Erklärungen rechtssuchender Bürger zu Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig auch per Video gegenüber der Geschäftsstelle abgegeben werden können (§ 129a ZPO-E). Dies betreffe beispielsweise die Beantragung von Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Erhebung einer Klage beim Amtsgericht, erläutert das BMJ.

Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft soll um die Möglichkeit erweitert werden, diese per Video oder an einem anderen geeigneten Ort als in den Geschäftsräumen des Gerichtsvollziehers oder in der Wohnung des Schuldners abzunehmen (§ 802f ZPO-E).

Wie das BMJ mitteilt, sollen die Neuregelungen grundsätzlich auch in den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten zur Anwendung kommen. Die bisherigen Vorschriften der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit über Videoverhandlungen blieben dagegen weitgehend unverändert. Den Ländern solle darüberhinausgehend außerdem die Möglichkeit eröffnet werden, die Durchführung so genannter vollvirtueller Videoverhandlungen in der Zivilgerichtsbarkeit zu erproben, bei denen sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält.

Der am 24.05.2023 vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf werde nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung werde er an den Bundestag weitergeleitet und dort beraten.

Bundesjustizministerium, PM vom 24.05.2023