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19.11.2025

Männliche Anrede in verfahrensleitenden Schreiben: Non-binäre Person scheitert mit Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit

Im Rahmen eines Berufungsstrafverfahrens hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main eine nicht-binäre Person in verfahrensleitenden Schreiben mit "Sehr geehrter Herr" angesprochen. Die Person wollte vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main festgestellt wissen, dass die wiederholte männliche Ansprache durch das LG rechtwidrig ist. Das OLG hat das abgelehnt: Die Schreiben des LG stellten keine Justizverwaltungsakte dar, sodass der eingeschlagene Rechtsweg unzulässig sei.

Die antragstellende Person ist non-binär und hat einen gestrichenen Geschlechtseintrag. Gegen sie wird beim LG Frankfurt am Main ein Berufungsstrafverfahren wegen Beleidigung geführt. In diesem Zusammenhang ist sie wiederholt in gerichtlichen Schreiben mit "Sehr geehrter Herr" angesprochen worden. Hiergegen richtet sich ihr Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG). Das OLG möge feststellen, dass die wiederholte männliche Ansprache durch das LG rechtswidrig ist. Zudem möge das LG verpflichtet werden, eine männliche oder weibliche Ansprache gegenüber der antragstellenden Person zu unterlassen.

Das OLG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Der eingeschlagene Rechtsweg (§ 23 EGGVG) sei nicht eröffnet. Hier gehe es nicht – wie erforderlich – um die Beseitigung, Vornahme oder Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes. Unter diesen Begriff fielen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten unter anderem der Strafrechtspflege getroffen werden. Die hier beanstandete männliche Ansprache sei insoweit kein tauglicher Streitgegenstand.

Voraussetzung sei stets, dass die fragliche Maßnahme eine einzelne Angelegenheit "regelt". Die hier zugrunde liegenden Schreiben hätten sich jedoch nur auf die geänderte Terminplanung, die Übersendung einer Anlage und auf neue konkrete Berufungshauptverhandlungstermine bezogen. Die in den Schreiben jeweils verwendete männliche Ansprache "Sehr geehrter Herr" enthalte damit keine Regelung an sich, so das OLG. "Sie ist vielmehr lediglich ein formeller Beginn und Ausdruck einer gängigen Höflichkeit einer schriftlichen Kommunikation. Regelungsgehalt haben ausschließlich die an die antragstellende Person gerichteten Schreiben als Ganzes", erläutert das OLG.

Die durch die antragstellende Person beanstandete männliche Ansprache stelle auch keine Maßnahme dar, die durch eine Justizbehörde getroffen worden sei. Die Schreiben unterfielen dem Bereich der so genannten justizförmigen Verwaltungstätigkeit. Es handele sich zwar nicht um Rechtsprechung im engeren Sinne, wohl aber um richterliche Tätigkeit, die in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt werde. Bei den streitigen verfahrensleitenden und -fördernden Maßnahmen im Zusammenhang mit der Anberaumung der Berufungshauptverhandlung habe das LG damit nicht als Justizbehörde gehandelt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.10.2025, 3 VAs 9/25, unanfechtbar