14.11.2025
Nach § 4 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihres befristeten Vertrags benachteiligt werden. Der Norm liegt EU-Recht zugrunde. Deswegen gilt im Fall einer Diskriminierung: Der betroffene Arbeitnehmer hat direkt einen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, wie ein vergleichbarer Dauerbeschäftigter. Den Tarifvertragsparteien steht laut Bundesarbeitsgericht (BAG) keine primäre Korrekturkompetenz zu, das heißt, ihnen ist zuvor nicht die Möglichkeit zur Korrektur ihrer diskriminierenden Regelung einzuräumen.
Geklagt hatte ein Zusteller in einem Logistikbetrieb. Er war zunächst befristet beschäftigt, dann wurde er unbefristet angestellt. Kurz bevor er unbefristet angestellt worden war, hatten die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass für alle Arbeitsverhältnisse, die nach einem bestimmten Zeitpunkt neu gegründet werden, eine längere Gruppenstufenlaufzeit gilt. Das bedeutet, dass ein Beschäftigter längere Zeit innerhalb einer bestimmten Entgeltgruppe und -stufe verbringen muss, bevor er in die nächste Stufe aufsteigt. Unbefristet angestellt worden war der Zusteller nach dem vereinbarten Stichtag.
Das BAG hat entschieden, dass er unter die Neuregelung im Tarifvertrag fällt, ihn dies aber wegen der Befristung diskriminiert. Die Regelung verstoße gegen den Unionsrecht umsetzenden § 4 Absatz 2 TzBfG. Die von der Arbeitgeberin dargelegten Gründe für die Ungleichbehandlung rechtfertigen diese Ungleichbehandlung nicht. Die Tarifbestimmung sei insoweit teilnichtig. Der Zusteller habe deshalb nach § 612 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 4 Absatz 2 Sätze 3 und 1 TzBfG ebenso wie die vergleichbaren am Stichtag unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer Anspruch auf Beibehaltung der kürzeren Gruppenstufenlaufzeiten.
Das BAG betont, dies habe entscheiden zu können, ohne den Tarifvertragsparteien zuvor Gelegenheit zur Beseitigung der Diskriminierung zu gewähren. Denn den Tarifvertragsparteien sei im Anwendungsbereich unionsrechtlich überformter Diskriminierungsverbote – anders als bei Verletzungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) – keine primäre Korrekturmöglichkeit einzuräumen. Artikel 3 Absatz 1 GG entfalte im Unterschied zu unionsrechtlich überformten Diskriminierungsverboten keine Abschreckungsfunktion.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2025, 6 AZR 131/25