14.11.2025
Die Aktionäre der insolventen Wirecard AG sind mit ihren kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzansprüchen nicht als einfache Insolvenzgläubiger an der Verteilung der Insolvenzmasse zu beteiligen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Da die Insolvenzmasse schon nicht ausreicht, um die einfachen Gläubiger zu befriedigen, werden die Aktionäre damit wohl leer ausgehen.
Rund 50.000 Aktionäre der Wirecard AG hatten Schadensersatzforderungen aufgrund des Erwerbs der Aktien in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Mit den Ansprüchen weiterer Gläubiger sind insgesamt Forderungen in Höhe von rund 15,4 Milliarden Euro zur Tabelle angemeldet. Die derzeit vorhandene Insolvenzmasse beträgt etwa 650 Millionen Euro.
Geklagt hatte eine deutsche Kapitalanlagegesellschaft, die Wirecard-Aktien erworben hatte. Sie meint, ihr stünden kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft zu. Die Wirecard AG habe ein tatsächlich nicht vorhandenes Geschäftsmodell vorgetäuscht und über ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage getäuscht. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte die Klägerin keine Aktien erworben.
Die Klägerin meldete deshalb Ansprüche in Höhe von insgesamt 9.836.098,79 Euro als einfache Insolvenzforderungen nach § 38 Insolvenzordnung (InsO) zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter aber meinte, bei diesen Ansprüchen handele es sich nicht um einfache Insolvenzforderungen. Die Forderungen seien nur zu berücksichtigen, soweit bei Beendigung des Insolvenzverfahrens ein Überschuss vorhanden sei.
Der BGH hat diese Ansicht jetzt bestätigt. Die von der Klägerin zur Tabelle angemeldeten Forderungen stellten keine einfachen Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO dar. Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche der Aktionäre seien derart mit der Stellung als Aktionär verknüpft, dass sie in der Insolvenz der Gesellschaft hinter den Forderungen einfacher Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO zurücktreten.
Ein kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzanspruch eines Aktionärs unterscheide sich grundlegend von Ansprüchen einfacher Insolvenzgläubiger. Er entstehe nur aufgrund der Beteiligung als Aktionär. Wirtschaftlich kompensiere er die – täuschungsbedingt – fehlgeschlagene Investition in eine eigene Geschäftstätigkeit, nämlich die der Gesellschaft, an der sich der Aktionär beteiligt. Bei der Haftung gegenüber der Klägerin gehe es daher um den Ausgleich von Schäden, die notwendig mit ihrer Aktionärsstellung zusammenhängen. Die insolvenzrechtliche Rangfolge aber setze solche auf den Erwerb der Aktie bezogene Forderungen hinter diejenigen der einfachen Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO zurück, so der BGH.
Für einen Gleichrang mit einfachen Insolvenzgläubigern genüge es auch nicht, die Täuschung der Aktionäre in den Blick zu nehmen, weil dies ausblendet, dass Zweck des Rechtsgeschäfts der Erwerb einer Beteiligung an der Gesellschaft war. Der Aktionär habe daher die mit seiner Stellung verbundenen Risiken zu tragen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2025, IX ZR 127/24