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09.12.2022

Flugpassagier: Kein Schadenersatz wegen fehlender Nutzbarkeit von EasyPASS

Ein Passagier hat keinen Schadenersatzanspruch gegen einen Flughafenbetreiber, wenn er seinen Flug versäumt, weil er oder seine mitreisenden Familienmitglieder nicht die Voraussetzungen für die Nutzung der automatisierten Grenzkontrolle (EasyPASS) erfüllen. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Die Beklagte ist die Betreiberin eines Großflughafens, der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der – neben weiteren Voraussetzungen – mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Beklagte wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen.

Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau sowie die drei minderjährigen Kinder einen Überseeflug gebucht. Die planmäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Die Familie verpasste jedoch den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe am Abflugtag zusammen mit seiner Familie das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter aufgegeben. Um 11.10 Uhr habe sich seine Familie zu der Sicherheitskontrolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend seien sie zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Diese hätten aber nicht genutzt werden können, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt gewesen sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort sei bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten, was zu einer Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Obwohl er eine Mitarbeiterin der Beklagten auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von rund 2.980 Euro (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch weiter.

Der BGH hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Er hat dabei offengelassen, ob zwischen der Betreibergesellschaft und dem Kläger eine vertragliche Beziehung bestand, aus der Schadenersatzansprüche hergeleitet werden könnten.

Jedenfalls sei die Organisation der Passkontrollen nicht in den Verantwortungsbereich der Flughafenbetriebsgesellschaft gefallen, sondern in den der Bundespolizei (§ 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Bundespolizeigesetz). Der Flughafenbetreiber habe insoweit keine Einflussmöglichkeiten. Insbesondere sei es ihm verwehrt, einzelne (verspätete) Reisende durch ein "Vorziehen der Passkontrolle" gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren zu privilegieren.

Dessen ungeachtet hätten sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle ergeben. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicherheitskontrolle passiert und das Abfluggate kurz nach zwölf Uhr erreicht. Die Passkontrolle sei somit zügig durchgeführt worden.

Eine Pflichtverletzung sei der Beklagten auch nicht deswegen vorzuwerfen, weil sie in einem Hinweis auf EasyPASS auf ihren Internetseiten nicht erwähnte, dass der Passinhaber mindestens zwölf Jahre alt sein muss. Der Hinweis sei ersichtlich nicht abschließend gewesen, so der BGH. Der Kläger hätte sich über die Nutzungsbedingungen näher, etwa über die hierfür eingerichtete Interseite der Bundespolizei, informieren müssen. Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, ohne sich rechtzeitig über dessen Modalitäten zu informieren, begebe er sich freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen seien.

Der Kläger hätte sich sogar noch am Flughafen die nötigen Informationen rechtzeitig beschaffen können, gibt der BGH zu bedenken. Obwohl er – wie er vorgetragen hat – bereits um 10.07 Uhr das Gepäck am Check-in-Schalter aufgegeben hatte, habe er sich erst um 11.10 Uhr mit seiner Familie zur Sicherheitskontrolle begeben. Es hätte somit vor Ort noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, sich hinsichtlich der Nutzungsbedingungen von EasyPASS zu erkundigen. Stattdessen habe der Kläger mit seiner Familie rund eine Stunde leichtsinnig "verbummelt", indem – wie er selbst vorträgt – unter anderem "in das ein oder andere Geschäft geschaut" wurde.

Im Übrigen dürfe sich ein Fluggast auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2022, III ZR 204/21