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17.09.2025

Crash bei "Touristenfahrt" auf Nürburgring: Betriebsgefahr generell erhöht

Kommt es auf einer Rennstrecke bei einer so genannten Touristenfahrt zu einem Unfall, stellt sich die Frage, inwieweit die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge in die Haftungsverteilung einfließt. Das Landgericht (LG) Koblenz geht von einer generell erhöhten Betriebsgefahr aus. Das ergebe sich aus der gefahrenträchtigen Örtlichkeit sowie der gefahrträchtigen Verkehrssituation.

Ein Mann befuhr im Rahmen einer "Touristenfahrt" die Nordschleife des Nürburgrings. Dort fuhr er auf einen vor ihm fahrenden BMW auf. Hintergrund war, das auf der Strecke ein Motorradfahrer gestürzt war, dessen Krad noch auf der Straße lag; ebenso stand ein weiteres Auto auf der Strecke, dessen Fahrer angehalten hatte, um dem verunfallten Motorradfahrer zur Hilfe zu kommen.

Der auf den BMW Aufgefahrene behauptet, dass sowohl der Grünstreifen rechts von der Fahrbahn als auch die Fahrbahn durch zwei Kfz und das Krad blockiert gewesen seien, sodass er binnen Sekundenbruchteilen, um Personenschäden zu vermeiden, eine Notbremsung eingeleitet habe. Dabei sei er auf das Heck des BMW aufgefahren.

Er beantragt Ersatz des ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Schadens. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Motorradfahrers trägt vor, der vor dem klägerischen Pkw fahrende BMW sei kontrolliert zum Stehen gekommen. Der Kläger habe zu spät auf das Bremsmanöver des vor ihm fahrenden Fahrzeugs reagiert. Bei ausreichendem Abstand, angepasster Geschwindigkeit und angemessener Reaktion hätte er sein Fahrzeug ohne weiteres unbeschadet hinter dem vorausfahrenden BMW zum Stillstand bringen können.

Das LG hat der Klage nur in einem Umfang von 20 Prozent stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 7 Absatz 1, 17, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 823 Bürgerliches Gesetzbuch und § 115 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz.

Unzweifelhaft habe sich der Unfall beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet. Dass es sich für einen der Fahrer um ein unabwendbares Ereignis gemäß § 17 Absatz 3 StVG handelt, könne nicht festgestellt werden. Für das klägerische Fahrzeug ergebe sich das in Anbetracht der ermittelten Ausgangsgeschwindigkeit von rund 135 km/h durch einen deutlich zu geringen Abstand zum vorausfahrenden BMW, als dieser aufgrund des auf der Fahrbahn liegenden Krads voll abgebremst wurde. Für den Krad-Fahrer ergebe sich die fehlende Unvermeidbarkeit daraus, dass er mit seinem Krad gestürzt sei und das Krad dann auf der Fahrbahn gelegen habe.

Nach § 17 Absätze 1 und 2 StVG hänge der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes daher von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Unfallbeteiligten verursacht wurde.

Hier sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser unstreitig auf den vorausfahrenden BMW aufgefahren ist. Gegen ihn streite dabei, dass er zu dem vorausfahrenden Fahrzeug einen zu geringen Abstand aufgewiesen hat.

Auf Seiten der Beklagten verbleibe es allerdings bei der einzustellenden Betriebsgefahr, die das LG hier mit 20 Prozent in Ansatz bringt. Bei so genannten Touristenfahrten, bei denen bei zu zügigem (sportlichen) Fahren ein Kontrollverlust über das Fahrzeug droht, hingegen beim langsamen (vorsichtigen) Fahren die Gefahr besteht, dass es zu Auffahrunfällen mit sich von hinten im Rennmodus nähernden Fahrzeugen kommt, sei die Betriebsgefahr eines die Nordschleife des Nürburgrings befahrenden Fahrzeugs aufgrund der gefahrenträchtigen Örtlichkeit sowie der gefahrträchtigen Verkehrssituation als generell erhöht anzusehen.

Die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad habe sich vorliegend auch kausal auf das Unfallereignis ausgewirkt. Das LG folgt insoweit den glaubhaften Angaben des Klägers, dass dieser eine Ausweichbewegung nach links vornehmen wollte, dies allerdings im Hinblick auf den sich auf der Strecke befindlichen Fahrer des Krads zur Vermeidung von Personenschäden unterlassen hat.

Demnach habe sich die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad kausal auf das vorliegende Verkehrsunfallereignis ausgewirkt, auch wenn es keine direkte Berührung zwischen dem klägerischen Pkw und dem bei der Beklagten versicherten Krad gegeben hat. Es reiche aus, dass der Betrieb eines Kfz zu einem schädigenden Ereignis über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zur Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies sei vorliegend der Fall und führe zu einer (anteiligen) Haftung der Beklagten in Höhe von 20 Prozent.

Landgericht Koblenz, 5 O 123/20, nicht rechtskräftig